Unterwerke werden Kunstwerke

Im Straßenbahnnetz der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg gibt es 17 Unterwerke. Sie versorgen die Straßenbahnen mit Fahrstrom. Allerdings sind sie auch beliebte Objekte für Verunreinigungen und werden so zu unschönen Bauwerken in der Stadt sowie zu einer Dauerbeschäftigung für die VAG. Das muss doch auch anders gehen, dachte sich Wilfried Gienow, der mit seiner Meisterei für die Instandhaltung der Unterwerke zuständig ist. Seine Überlegung: Warum nicht die häufig betroffenen Unterwerke gezielt von einem Street-Art-Künstler gestalten lassen und sie so zu einem Schmuckstück für ihre Umgebung machen? Der Startschuss für die Umsetzung dieser Idee erfolgte nun am Guttenbergplatz.

Voraussetzung für die Verwirklichung war, dass Gienow bei sei-nem Bereichsleiter auf offene Ohren stoßen musste. Schließlich ist es keine vordringliche Aufgabe der VAG, Kunstwerke in Nürnberg zu schaffen. „Aber wir müssen die Straßenbahn- und U-Bahn-Anlagen gut in Schuss halten“, erklärt der für die VAG-Infrastruktur verantwortliche Konrad Schmidt. „Und mich hat die Erkenntnis überzeugt, dass Orte und Gegenstände, die schön sind und gefallen, weniger beschädigt werden. So ist unsere Hoffnung, dass wir in die gestalteten Unterwerke fortan weniger investieren müssen, was Fassadenreinigung und Anstriche berifft. Wenn sie dann noch ein neues Highlight für das Viertel sind, umso besser.“

Für die Umsetzung haben sich die beiden Herren ihre Kollegin aus dem Marketing, Dr. Petra Joerg, ins Boot geholt. Ihr gelang es, den Nürnberger Street-Art-Künstler Julian Vogel für das Vorhaben zu gewinnen. Vogel ist in seiner Heimatstadt kein Unbekannter. Er ist in der Street-Art-Szene verwurzelt und hat eine entspannte Einstellung zu Aufträgen dieser Art: „Mir geht es im Wesentlichen darum, den öffentlichen Raum schöner zu gestalten. Dabei muss man lernen, so zu arbeiten, dass möglichst viele Menschen mit der Kunst etwas anfangen können. Sie muss gefällig sein, was nicht heißt, dass sie ohne Botschaften auskommen muss. Das „Now is now“ in meiner Gestaltung am Guttenbergplatz ist unaufdringlich, aber die Passanten haben es sofort verstanden“, erklärt der Künstler. Als gelernter Schreiner, studierter Grafikdesigner und ehemaliger Inhaber einer Werbeagentur habe er gelernt, Kunst und Kundenwunsch zu vereinen. Die Zusammenarbeit mit der VAG sei bisher völlig unkompliziert gewesen. Für seine Entwürfe habe er keinerlei Vorgaben gehabt und es ehre ihn, dass sie gleich akzeptiert wurden.

Das liegt vermutlich an seiner Arbeitsweise. Julian Vogel lässt die Umgebung, in der er arbeitet, auf sich wirken und bezieht sie in sein Werk ein: „Ist ein Raum, wie der Guttenbergplatz, eher zugebaut mit Häusern, ohne viel Grün, mit einer großen Straße, dann verträgt er aus meiner Sicht einen lebendigen, fröhlichen Farbkleks. Daher habe ich sonnige Farben verwendet und versucht, die Natur in die Stadt zu bringen. Als nächstes werde ich das Unterwerk am Luitpolthain umgestalten. Das steht unter großen Bäumen und dort muss sich die Gestaltung unterordnen.“ Neben den Unterwerken am Guttenbergplatz und Luitpolthain wird Julian Vogel im Laufe des nächsten Jahres noch weitere exponierte Unterwerke verschönern, so zum Beispiel in Mögeldorf oder an der Haltestelle Am Wegfeld. Nicht immer alleine, sondern auch mit anderen jungen Künstlern aus der Nürnberger Street-Art-Szene.

Und so arbeitet Julian Vogel: Zuerst grundiert er die Wände, streicht dann die größeren Flächen mit Fassadenfarbe und sprayt schließlich die Details mit Acryllack. Seine Arbeit ist wetterabhängig. Regnet es, kann er nicht arbeiten. Ist es unter fünf Grad kalt, auch nicht. Dann sind seine Farben nicht mehr flüssig genug. Für die Gestaltung des Unterwerks am Guttenbergplatz hat er sechs Tage benötigt. Und es hat sich gelohnt: „Während der ganzen Zeit habe ich nur positives Feedback von den Anwohnern erhalten und ich konnte sogar beobachten, wie sie – motiviert durch mein Arbeiten – selbst Hand angelegt und ihren Platz aufgeräumt haben. Das macht wirklich Freude“, zeigt sich der Künstler angetan.